Ein Blog wird nur gerne gelesen, wenn er spannend und interessant ist. Deshalb sollte man sich immer wieder etwas Neues ausdenken. Eine sehr schöne Idee ist auch der Erlebnisbericht, denn Menschen lieben Geschichten und selbst erlebte Geschichten, die spannend erzählt werden oder die das Herz berühren, lieben sie ganz besonders. Geschichten haben auch den Vorteil, dass man sie leichter in Erinnerung behält als sehr sachliche Texte.
Beim letzten Mal hatte ich Ihnen ja versprochen, dass ich Ihnen am Beispiel von Marion zeige, wie Sie einen Erlebnisbericht schreiben können, bzw. welche Zutaten ein Erlebnisbericht enthalten sollte.
Schauen wir uns nun also mal an, was Marion für Ideen für Ihren Erlebnisbericht hat.
Marion erzählt: „Ich erinnere mich noch an die Zeit, als ich Teamleiterin in einem großen Unternehmen war. Ständig bekam ich mehr Arbeit aufgehalst. Wenn jemand aus dem Team krank war, dann musste ich für ihn einspringen und nebenbei noch ein Team von 10 Personen organisieren und managen. Irgendwann war ich dann so müde und ausgebrannt, dass ich wusste, ich muss etwas verändern.“
So viel zu Marion. Sie hat also das, was sie den Managerinnen heute beibringt, auch selbst erlebt. Sie weiß, was es heißt, im Job überfordert zu sein, sie kann aber auch aus ihrer heutigen Perspektive schreiben, indem sie erzählt, wie ihr die Entspannungstechniken, die sie damals gelernt hat, weitergeholfen haben.
„Am besten erzähle ich, wie es mir erging und wie ich dazu kam, sogar meinen Beruf zu verändern“, überlegt Marion sich. Doch wie fange ich an?
Ja, aller Anfang ist schwer, das sagt man doch so schön und irgendwie stimmt es ja auch. Tatsache ist aber auch, dass der Anfang so spannend sein sollte, dass der Leser auch gerne weiterliest. Denkbar wäre z. B., dass Marion sich für einen Anfang entscheidet, der gleich mitten ins Geschehen geht, so wie es ihr damals erging, als sie kurz vor dem Zusammenbruch war.
Hier mal ein Beispiel für einen möglichen Anfang:
Ich erinnere mich noch daran, als ob es gestern gewesen wäre. Es war einer dieser letzten Spätsommertage und schon morgens beim Aufstehen hatte ich das Gefühl, dass etwas nicht so war wie sonst.
Ein erster Satz, der höchstwahrscheinlich den Leser aufhorchen lässt und der dafür sorgt, dass man weiterliest. Man spürt, dass irgendetwas geschehen wird und will wissen, was genau.
Eine gute Geschichte ist folgendermaßen aufgebaut:
- Spannender Anfang, z. B. eine Ausgangssituation, in der eine Herausforderung geschildert wird.
- Mittelteil, in dem der Protagonist (also Sie selbst), etwas unternimmt, um der Herausforderung zu begegnen und/oder sich etwas bewusst macht. Hier kann manchmal auch der große Durchbruch geschehen, der zu einer Veränderung im Leben des Protagonisten führt. Aber die Herausforderungen können auch ganz alltäglicher Natur sein. Ein schönes Beispiel für eine solche Geschichte finden Sie hier: http://www.anne-kerstin-busch.com/engel-am-bahnhof/
- Der Schluss. Am Schluss kann man noch mal alles zusammenfassen. Man kann auch einen Ausblick geben auf zukünftige Ereignisse, die mit dem Thema der Geschichte zu tun haben. Oder man erzählt noch mal, was einem bewusst geworden ist.
Wenden wir uns nun wieder Marion zu und schauen wir, was sie im Mittelteil ihrer Geschichte gemacht hat. Nehmen wir mal an, die Einleitung steht. Marion ist also im Büro angekommen und hat darüber geschrieben. Schauen wir uns nun ein paar Sätze an, die Marion am Anfang des Mittelteils geschrieben hat.
An diesem Tag hatte sich hoher Besuch angekündigt. Der Geschäftsführer eines langjährigen Kunden, eines großen Unternehmens, hatte ein Gespräch mit unserem allerhöchsten Chef und alle Teamleiter sollten diesem Gespräch beiwohnen. Noch am Tag zuvor hatte ich Überstunden gemacht, damit ja alles vorbereitet war. Doch jetzt war ich müde und hatte das Gefühl, als wäre ich ein schwerer, nasser Mehlsack. Ich schleppte mich an den Schreibtisch und von da an ging fast alles schief, was schiefgehen konnte. Ich stieß mein Wasserglas um und das Wasser machte meine Tastatur unbrauchbar, woher sollte ich jetzt so schnell Ersatz finden? Ich musste doch dringend noch ein neues Angebot ausdrucken. Der Ordner mit den Rechnungen fiel mir aus der Hand und direkt auf den Fuß. Ich unterdrückte einen Schrei. Auf dem Weg zu meinem Chef ins Büro war mir so schwindelig, dass ich mich festhalten musste, es war bereits Nachmittag und ich hatte ganz vergessen, etwas zu essen.
In der Besprechung fielen mir ständig die Augen zu und ich kämpfte mit dem Schlaf. „Marion, ich habe Sie was gefragt!“ Mein Chef schüttelte den Kopf. Ich war tatsächlich eingeschlafen und schreckte richtig hoch, mit dem Ergebnis, dass ich meinen Kaffee umstieß und der Kaffee die Unterlagen auf dem Tisch unbrauchbar machte. „Gehen Sie nach Hause, Sie sind ja zu nichts zu gebrauchen“, sagte er kopfschüttelnd, und das alles vor unserem Kunden. Mann, war mir das peinlich.
Hier hat Marion ganz genau ihre Herausforderung dargestellt, im nächsten Teil geht es darum, wie sie mit dieser Herausforderung umgeht. Das ist sicher eine längere Geschichte, die ich hier nicht in allen Einzelheiten erzähle, da es mir nur um das Prinzip geht. Aber es könnte bei Marion vielleicht so klingen.
So verzweifelt war ich schon lange nicht mehr. Was sollte unser Kunde nur von mir denken? Oh je, was wird mein Chef mir morgen erzählen? Am besten bleibe ich am nächsten Tag auch zuhause und melde mich krank. All diese Gedanken gingen mir durch den Kopf. Was sollte ich nur tun? So konnte es nicht mehr weitergehen.
Im nächsten Abschnitt wäre es schön, zumindest bei dieser Geshichte, dass eine Hilfe kommt, die Marion sozusagen „auf den neuen Weg bringt“. Das kann ein Arzt sein, der ihr rät, Entspannungstrainings zu machen oder eine Freundin, die ihr ein Coaching empfiehlt. Oder aber auch ein innerer Impuls. Ich wähle mal das Letztere, da das vielleicht ein bisschen außergewöhnlicher ist als die anderen Sachen.
An diesem Tag legte ich mich auf die Couch und dachte eine Weile nach. Meine Gedanken schweiften zu einer Zeit, die schon ein paar Jahre zurücklag. Damals war ich auch genauso erschöpft wie an jenem Tag und begann damit, mich mit dem Thema „Entspannungstraining“ zu bechäftigen. Ich weiß noch, wie gut mir die Kurse taten, an denen ich teilnahm. Doch kaum waren die Kurse vorbei, machte ich nichts mehr in der Richtung. „Mensch, damals war ich sogar schon so weit, dass ich eine Ausbildung machen wollte, um berufstätigen Frauen dabei zu helfen, sich besser zu entspannen. Doch irgendwie holte mich die „Vernunft“ wieder ein und ich vergrub den Traum im hintersten Winkel meiner Traumschatzkammer und machte weiter wie bisher. Schließlich hatte ich immerhin einen gutbezahlten Job. Doch an jenem Tag klopfte der Traum von damals zum ersten mal seit Langem wieder an.
Im nächsten Abschnitt würde Marion wahrscheinlich erzählen, wie sie diesen Traum in die Tat umsetzt, denn heute ist sie ja Entspannungstrainerin für Managerinnen. Also muss sie diesen Traum verwirklicht haben. Sie wird vielleicht auch auf ihre Zweifel eingehen und wie sie dennoch weitergemacht hat, so dass sie jetzt da steht, wo sie heute steht. Und dann würde sie schon zum Schluss kommen. Der Schluss könnte vielleicht so aussehen wie in diesem Beispiel, ich wähle hier mal einen offenen Schluss, der in die Zukunft weist.
Die Prüfung zum Entspannungstrainer war vorbei, die Aufregung der letzten Tage war verschwunden. Endlich hielt ich mein Abschlusszeugnis in der Hand. Ich tanzte damit auf der Straße. Ich tanzte an meiner Firma vorbei, bei der ich jahrelang Teamleiterin gewesen war und wo ich am nächsten Tag meinen letzten Arbeitstag hatte. Tatsächlich schien es mir, als würde mein Chef hinter dem Fenster seines Büros stehen und den Kopf schütteln. Ja, so jugendlich kannte er mich gar nicht mehr. Je mehr ich meinen Traum verwirklichte, desto jugendlicher wurde ich und desto mehr Energie hatte ich. Als ich die Tür zu meiner Praxis aufschloss blinkte der Anrufbeantworter, drei neue Klientinnen wollten einen Termin bei mir. Und dann war da noch dieser Umschlag in der Post, den ich vorsichtig öffnete. Es würde ein Wiedersehen mit meiner alten Firma geben, allerdings würde ich diesmal im Auftrag der Gesundheitsabteilung Entspannungstrainings leiten. Sicher würde die neue Teamleiterin auch mal vorbeischauen.
Das war es. Marions Erlebnisbericht, den ich hier in Teilen wiedergegeben habe, ist fertig. Einen Tipp hätte ich noch für unsere Protagonistin: Sie könnte auch eine Serie daraus machen. Dann würden die einzelnen Teile weniger lang sein, und Marion hätte gleich Stoff für mehrere Artikel.
© 2012 Anne-Kerstin Busch
Im nächsten und letzten Teil dieser Serie geht es um das Thema „Artikelserie“.