Es ist jetzt bestimmt schon bald 20 Jahre her, da hatte ich ein Fernstudium im Kreativen Schreiben gebucht. Zunächst lief es gut an, ich bekam ein dickes Buch mit Aufgaben und Informationen und man teilte mir eine Ansprechpartnerin zu. Woche für Woche löste ich meine Aufgaben und schickte sie – man glaubt es kaum – mit der Post zu dem Anbieter des Fernstudiums. E-Mail gab es damals nämlich noch nicht.
Einer der ersten Texte, den ich für den Kurs schrieb, war eine Kurzgeschichte zum Thema „Freitag, der 13.“. Es machte mir viel Spaß, diese Geschichte zu schreiben, und sie war mir auch gut gelungen, fand ich. Auch meiner Ansprechpartnerin gefiel die Geschichte. Nach ein paar Wochen sollte ich eine weitere Aufgabe zu lösen: Ich sollte drei Tarot-Karten ziehen und zu diesen Karten eine Geschichte schreiben. Also besorgte ich mir erst einmal solche Karten. Dann zog ich drei Karten ganz intuitiv, bestimmte ihre Reihenfolge, so dass ich eine Geschichte daraus machen konnte, und legte los.
Auch diese Geschichte schickte ich ein. Doch als ich die Antwort meiner Ansprechpartnerin zurückbekam, war ich enttäuscht. Ich hatte eine spirituelle Geschichte geschrieben. Sie hielt sie für klischeehaft, zu brav. Sie ließ kein gutes Haar an meiner Geschichte und schlug mir vor, das nächste Mal doch in einer Bahnhofsgaststätte zu schreiben. Darin sah ich damals überhaupt keinen Sinn. Mittlerweile sind viele Bahnhöfe ja viel schöner als damals und die Restaurants dort auch. Damals waren es für mich Spelunken voller Zigarettenrauch, in die ich keinen Fuß hineinsetzte. Mag sein, dass sie mit einigen Dingen, die sie mir schrieb, recht hatte, doch die Art und Weise, wie sie es mir unterbreitete schadete mir mehr als dass es mir nutze.
Das Ende vom Lied war: Ich war total blockiert. Ich hatte das Vertrauen in meine Schreibfähigkeiten verloren. Hier fehlte völlig der persönliche Austausch, warum ich etwas so mache, wie ich es mache und was für ein Typ ich bin. Natürlich auch, was mir wichtig ist. Auf der anderen Seite hätte ich bestimmt auch die Anregungen meiner Ansprechpartnerin besser verstehen und annehmen können, wenn ich mit ihr gesprochen hätte. Denn ich wollte ja etwas lernen, aber nicht auf diese Art und Weise! Doch den persönlichen Austausch sah mein damaliger Kurs nicht vor. Und so kündigte ich ihn nach diesem Vorfall und schrieb erst einmal lange Zeit nicht.
Doch wenn man wirklich den Herzenswunsch hat, etwas zu tun, dann klopft dieses Etwas immer wieder an. So war es auch bei mir. In einem spirituellen Schreibkurs wurde das Buch Wild Mind von Natalie Goldberg empfohlen. Ich kaufte mir dieses Buch und probierte einige dieser Übungen aus. Dabei spürte ich, dass ich langsam mehr und mehr die Angst davor losließ, etwas zu Papier zu bringen. Dieses Buch und andere Bücher halfen mir erst einmal, wieder meine ganz persönliche Schreibstimme zu finden. Und die persönliche Schreibstimme ist das, womit meiner Ansicht nach alles beginnt.
Schreiben als Ausdruck der Seele
Erst wenn du deine persönliche Schreibstimme gefunden hast, deinen Stil, wie du etwas sagen möchtest, wie es aus deinem Herzen herausfließt, dann kannst du weitermachen und dich um Formen kümmern, wie Blogartikel, Kurzgeschichte, Roman, Selbsthilfe-Ratgeber, Pressetext, etc. Diese Formen haben ihre Regeln und Regeln kann man lernen. Eine Geschichte muss spannend geschrieben sein, die Charaktere müssen glaubwürdig sein. Aber alles geht von deiner persönlichen Schreibstimme aus. Sie ist die Grundlage von allem.
Deshalb lege ich heute so viel Wert auf Schreibübungen, die die Intuition stärken und die dich in Kontakt mit deiner persönlichen Schreibstimme bringen. Mit dem, wie du dich ausdrückst, als Seele, von der Warte deines Höheren Selbstes aus, ja wie auch immer du das nennen magst.
Welche Texte sind gut, welche sind es nicht?
Klar gibt es bei den einzelnen Textformen Merkmale, die zeigen, welche Texte gut oder weniger gut sind. Doch manchmal entscheidet ganz einfach der Geschmack. Oder warum fand Joanne K. Rowling erst nach einer ganzen Weile einen Verlag für Harry Potter? Eine Buchserie, die Millionen von Menschen begeistert. Ganz einfach: Weil wir Menschen einfach nicht unfehlbar sind. Und noch etwas: Viele Menschen lieben Klischees. Wenn man es mag, dann kann man sie ganz bewusst einsetzen. Oder warum sind die Romane von Rosamunde Pilcher bei vielen so beliebt?
Was ich damit sagen möchte: Texte sind wahnsinnig schwer zu beurteilen. Aber das Selbstvertrauen eines potenziellen Autors ist so leicht einzureißen, wenn er gerade wie eine junge Pflanze anfängt, seine Fähigkeiten zum Blühen zu bringen. Aus der Geschichte von damals habe ich gelernt, dass ich Texte sehr gerne mit dem Autor oder der Autorin persönlich bespreche und gemeinsam mit ihm oder ihr darüber reflektiere, was man anders machen könnte oder auch nicht.
Mir ist es wichtig, erst einmal das Selbstvertrauen in die eigenen Schreibfähigkeiten zu stärken, bevor es weitergeht. Und eines ist sicher klar: Das eigene Schreiben trainieren, das hört nie auf. Es gibt immer noch einen weiteren Schritt, den man gehen kann, immer noch etwas Neues, was man lernen kann, was man verändern und verbessern kann. Aber wie beim Hausbau auch: Zuerst kommt das Fundament, das ist das Training der persönlichen Schreibstimme, und dann wird weiter gebaut. 🙂
PS: Ein großer Dank geht an die Erfindung des Blogs! Das Bloggen ist für mich das tollste und beste regelmäßige Schreibtraining überhaupt. Seit sechs Jahren blogge ich nun schon und habe es dadurch gelernt, immer mehr zu mir und meinem Schreiben zu stehen. Bloggen kann ich nur jedem empfehlen, der sein Schreiben trainieren möchte … und den Mut hat, das auch gleich noch in der Öffentlichkeit zu tun.
Find ich auch, schöner Artikel! Man sollte einfach auf seine eigene Intuition achten. Das bringt einem niemand bei. Einfach selber machen. 🙂
Beste Grüße, Yan